Eva Siao (1911-2001) schreibt darüber in ihrem Buch „China – mein Traum mein Leben“,1995 Taschenbuchverlag:
«Das Jahresende 1961 verbrachte ich in der DDR. Zusammen mit John und Tutti Heartfield sowie ihrem Hund Adam fuhr ich am 31. Dezember vormittags nach Waldsieversdorf. … Das Häuschen, das mitten im Wald am Ufer eines kleinen Sees lag, war zauberhaft, aber ungeheizt und deshalb eiskalt. Ich sah mich erst einmal um. Die drei Zimmer waren geschmackvoll und urgemütlich eingerichtet, die Farben der Bezüge Kissen Tapeten etc. aufeinander abgestimmt und durch die großen Fenster mit entzückenden Gardinen sowie Rolljalousien fiel ausreichend Licht in die Räume. Das ganze Anwesen mit hölzernen Pflanzentrögen auf der Veranda und einem Springbrunnen im Garten wirkte wie eine Idylle wie ein Märchenschlösschen auf mich. Wer hätte gedacht, daß der große sozialkritische Künstler und Urheber bissiger Fotomontagen sich in einer solchen Idylle heimisch fühlte und untröstlich war, als er bemerkte, daß ihm ein Kaktus erfroren war! Direkt nach unserer Ankunft inspizierte Tutti die sorgfältig abgedeckten Beete und fütterte die Vögel; dann gingen wir alle zusammen spazieren. Es war ein grauverhangener Tag, der einen ganz eigenen Zauber hatte. Zum erstenmal bemerkte ich, wie sehr John den Wald, die Natur liebte. Bevor wir am Nachmittag zurück nach Berlin fuhren, verteilte Tutti liebevoll Neujahrsgeschenke an die Nachbarskinder.
Heartfields Stadtwohnung in der Friedrichstraße zeichnete ein angenehmes künstlerisches Chaos aus, das mir gefiel. Die Wände waren vollgehängt mit Gemälden, Fotos und anderen Dingen. Alles sehr geschmackvoll – und dennoch einfach und bescheiden. Tutti zeigt mir auch die Rumpelkammer, in der sie schlief, und fand das ganz in Ordnung. Am Abend zündete sie im großen Zimmer viele Kerzen an; John spielt mir eine Plattenaufnahme der Dreigroschenoper mit Lotty Lenya vor. Dann kamen Elisabeth Hauptmann, eine frühere Freundin Brechts, und ein amerikanischer Schriftsteller namens Jerome.
…
Mitte September 1957 kamen John und Tutti Heartfield für zwei Monate nach China, er mit fünf Fotoapparaten „bewaffnet“. Auf der Reise quer durch das Land sollte ich die beiden auf ihren Wunsch hin begleiten; leider ging das nicht. So konnte ich ihnen nur mein Beijing zeigen – die Altstadt, die Akrobaten in der Tianqiao (Himmelsbrücke), den Himmelstempel (Tiantan) und die verschiedenen Märkte. […] Begeistert folgte man seinen Vorträgen im Friedenskomitee, in der Xinhua, im Verband der Maler und anderswo.»
Eva Siao (* 8. November 1911 in Breslau als Eva Sandberg; † 29. November 2001 in Peking) war eine aus Deutschland stammende, chinesische Photographin und Journalistin. Sie war eine der europäischen Augenzeugen der chinesischen Revolution und der Aufbaujahre der Volksrepublik China. 1935 heiratete sie den chinesischen Schriftsteller Emi Siao (1896-1983).