Lenka Reinerowá (1916 -2008) war eine deutsch- und tschechischsprachige Schriftstellerin und Journalistin tschechischer Staatsangehörigkeit. Sie arbeitete als Journalistin unter anderem bei der Arbeiter-Illustrierte-Zeitschrift, die in der Herausgeberschaft von F.C. Weiskopf und Hermann Leupold bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag unter dem Namen Volks-Illustrierte erschien.
In ihrem Buch „Es begann in der Melantrichgasse“, Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1985, Neuausgabe 2006, erinnert sie sich an die Gefährten von einst und auch an John Heartfield.
Aus ihrem Buch:
«Nach ihrem Verbot in Deutschland war die Arbeiter-Illustrierte Zeitung (AIZ) bereits am 18. Mai 1933 von neuem in Prag erschienen, und Chefredakteur war F. C. Weiskopf. Im Jahre 1936 wurde dann im Zuge der breiten antifaschistischen Volksfront und Antikriegspolitik der Titel der Wochenschrift auf Volks-Illustrierte (VI) geändert, und 1938, als die Gefahr eines Angriffs Hitlerdeutschlands gegen die Tschechoslowakei bereits konkrete Gestalt anzunehmen begann, kam noch eine erweiterte tschechische Version unter dem Titel Svét a obrazecb (Welt in Bildern) hinzu. Auch diese Redaktion wurde von FCW geleitet. Für heutige Verhältnisse hatte die AIZ eine ungemein bescheidene Redaktion. Allein durch die Persönlichkeit ihres Chefredakteurs stand sie bald mit der ganzen antifaschistischen Welt in Verbindung.
Zuerst hausten wir gemeinsam mit der Emigrantenzeitung <Der Gegen-Angriff> später <Deutsche Volks-Zeitung>, in einer Vier-Zimmer-Wohnung in der Letohradská-Straße Nr. 32 im Prager Letná-Viertel, hoch über der Moldau und nicht allzu weit vom Hradschin entfernt. In der Küche stand ein solider großer Kachelherd. Das war der Tisch der Redaktionssekretärin des Gegen-Angriff. Bei der Arbeit mußte sie ab und zu die Füße in das einstige Feuerloch stecken, wollte sie bequemer sitzen. Im Vorzimmer der Wohnung befand sich die Expedition der beiden Zeitschriften. Später übersiedelte die Volks-Illustrierte in demselben Stadtviertel in die Skuherského- Straße Nr. 3a, hinter den Strossmayer-Platz, benannt nach dem fortschrittlichen kroatischen Geistlichen und Vorkämpfer für eine Föderalisierung der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Nun hatten wir eine geräumigere Wohnung, in der dann auch die Redaktion von Svét a obrazecb untergebracht wurde. Hier gab es sogar eine Dienstbotenkammer. Diesen kleinsten und in der Tat winzigen Raum wollte unser Chefredakteur für sich haben. Ich saß gleich neben der ,,Chefredaktion“ in einem erheblich größeren Zimmer, das ich mit Hermann Leupold teilte, … .
Der dritte in unserem Zimmer war ein Männchen von schmächtiger Gestalt, mit großen blauen Augen, einer hohen, ständig gefurchten Stirn und Händen, die für einen Mann fast zu klein zu sein schienen. Doch das war, weiß Gott, nur der Anschein. Dieser Kollege zeigte sich übrigens nur sporadisch in der Redaktion, aber jedesmal, wenn er auftauchte, verursachte er einen unsäglichen Wirbel und ausgelassene Fröhlichkeit. Bei den Mächtigen jener Zeit rief er allerdings wiederholt wahre Tobsuchtsanfälle hervor. Er hieß John Heartfield, war unser aller lieber Johnny, der Autor großartiger Fotomontagen, von denen jede Woche eine auf der Rückseite des Umschlags unserer Zeitschrift zu sehen war. »